20 ganz besondere Stockwerke erheben sich im aufstrebenden Viertel Sydhavn in Aarhus, Dänemark

Das Gebäude mit der Bezeichnung TRÆ ist in vielerlei Hinsicht innovativ – insbesondere in Bezug auf die Materialwahl. Sowohl für die Außen- als auch die Innenbereiche wurde eine große Menge an recycelten Materialien verwendet, und ganze drei Stockwerke sind dem Experimentieren mit neuen Materialien gewidmet, die die grüne Agenda weiter vorantreiben können.

12.03.2024

Im Viertel Sydhavn in Aarhus – einem alten Hafen- und Industrieviertel, das sich gerade in ein städtisches Gewerbegebiet mit Platz für Kunst und Kultur, urbanes Leben und soziale Vielfalt verwandelt – herrscht eine rege Bautätigkeit. Es wurden hier bereits Neubauten wie der Sitz der Danske Bank in Aarhus, der neue Hauptsitz der Tageszeitung Jyllands-Posten sowie eine Erweiterung von Filmby Aarhus errichtet.

Doch das Viertel Sydhavn ist noch lange nicht fertig. 

PFA Pension ist der Bauherr des höchsten dänischen Holzgebäudes – TRÆ –, das sowohl in Bezug auf die Form als auch die gedankliche Konzeption ein markantes Wahrzeichen des Viertels sein wird. Entwickelt wurde das Projekt von Kilden & Hindby in Zusammenarbeit mit Lendager Arkitekter, als beratendes Ingenieurbüro wurde Artelia Group hinzugezogen.

TRÆ wird eine Höhe von 78 Metern erreichen und 20 Stockwerke beherbergen, die hauptsächlich als Büroräume und Gemeinschaftsbüros dienen werden. Das Gebäude wird voraussichtlich Ende 2024 fertiggestellt sein.

Die Ambition hinter TRÆ besteht darin, der Art und Weise, wie die Branche heute baut, vor allem durch die Verwendung von Holz und recycelten Materialien einen Schub zu geben. TRÆ ist allerdings ein Hybridbau, bei dem an ausgewählten Stellen auch Beton verwendet wird.

„TRÆ wird beweisen, dass man mit Holz so hoch bauen kann. Darüber hinaus verwenden wir bei unserem Streben nach einem Gebäude mit geringeren CO2-Emissionen recycelte und biobasierte Materialien, da dies erforderlich ist, um das Pariser Abkommen einzuhalten. Deshalb ist TRÆ ein Beispiel für einen gangbaren Weg, der die Baubranche weniger klimaschädlich macht“, sagt Kasper Bach Johannsen, Chefberater bei Artelia.

Wie weit kann man mit Recycling kommen?

Henrik Kjærgaard-Phillipsen ist Projektleiter beim Stadtentwicklungsunternehmen Kilden & Hindby, das einige der großen Projekte in Aarhus entwickelt hat, darunter Lighthouse, Pakhusene, AARhus, Bassin 7 und Æggepakkeriet in Godsbanen.

„Alle reden in der Baubranche zwar über Nachhaltigkeit, gehandelt wurde jedoch noch nicht in ausreichendem Maße, um den grünen Ambitionen gerecht zu werden. Dieses Pflaster wollen wir nun abreißen und sehen, wie weit man mit recycelten Materialien kommen kann. Wir haben uns mit Anders Lendager zusammengetan, der gute Ideen und Erfahrungen mit stärker nachhaltig ausgerichteten Gebäuden hatte. Wir wiederum sind gut bei Großbauten, sodass wir ein gutes Team für die Aufgabe bildeten.“

Wichtige Arbeitsinstrumente waren während des gesamten Bauprozesses die Lebenszyklusanalysen (LZA) in Kombination mit gesundem Menschenverstand und einem instinktiven Bauchgefühl.


Alte Rotorblätter und Dachplatten von Herlev

Als augenfälliges Merkmal an der Außenseite des Gebäudes werden wiederverwendete Windturbinenflügel als Sonnenschutz eingesetzt. Rotorblätter von Windenergieanlagen sind 20 bis 25 Jahre in Betrieb, um danach häufig auf der Mülldeponie zu landen.

„Die Wiederverwendung von Rotorblättern von Windkraftanlagen war lange eine schwierige Nuss, die es zu knacken galt. Sie sind jedoch extrem robust und halten auch den härtesten Witterungsbedingungen stand. Deshalb wollten wir mehr über das Material erfahren. DBI hat eine Reihe von Brandtests an Vollmaßstabsfassadenmodellen durchgeführt, die jetzt genehmigt wurden“, berichtet Henrik Kjærgaard-Phillipsen.

Ursprünglich war angedacht, dass die Fassade von TRÆ mit Holz verkleidet sein sollte, aber dies war aufgrund der Brandschutzanforderungen und der Haltbarkeit der Brandschutzimprägnierung bei einem so hohen Gebäude nicht möglich. Stattdessen hat die Fassade eine Aluminiumverkleidung erhalten, bei der es sich um ehemalige Dachplatten einer Wohnungsbaugesellschaft in Herlev handelt. Obwohl sie wiederverwendete Produkte sind, haben die Platten eine erwartete Restlebensdauer von 80 bis 100 Jahren.

„Die Platten sind patiniert und haben alte Montagelöcher. Sie werden durch ausgemusterte Aluminiumplatten in einer anderen Ausführung ergänzt, sodass sie ein interessantes Designmuster an der Fassade bilden. Diese Form der Ästhetik repräsentiert etwas ganz anderes als die vielen Neubauten, die in der Stadt entstehen. Ich freue mich daher darauf, dass wir die Meinung der Menschen darüber erfahren und eine damit verbundene Debatte starten“, erläutert Henrik Kjærgaard-Phillipsen.

„Es war ein längerer Prozess, herauszufinden, wie das Gebäude aussehen würde, da es durchaus sehr von der üblichen Optik abweicht. Deshalb haben wir auch laufend mit dem Stadtarchitekten der Gemeinde Aarhus zusammengearbeitet, der an mehreren Workshops teilgenommen hat“, fügt er hinzu.

Größere Spannbreite bei Recyclingmaterialien

Auch im Inneren des Gebäudes gibt es unzählige Beispiele für den Einsatz von Recyclingmaterialien: Glas, Holz aus der Industrie, Deckenplatten aus recycelten Plastikflaschen sowie Leuchtarmaturen, die früher in Netto-Filialen verwendet wurden, aber upgecyclet und mit LED-Leuchten ausgestattet wurden.

Kasper Bach Johannsen, Chefberater bei Artelia, erklärt, dass es bei der Verwendung von Recyclingmaterialien in einem Großbau mehrere Hindernisse gibt:

„Es gibt aus gutem Grund strenge Brandschutzanforderungen an ein Hochhaus. Daher müssen die Materialien die richtigen Brandklassen aufweisen. Im Falle von TRÆ durften wir beispielsweise im Inneren nur 20 Prozent sichtbare Holzoberflächen haben, da der Rest aus Material bestehen muss, das den geltenden Brandschutzklassen entspricht. Aus diesem Grund ist die Dokumentation der Hersteller wichtig.“

Eine weitere Barriere ist die Garantie der ausgewählten Materialien.

„Wenn man ein neues Produkt kauft, erhält man automatisch eine Garantie, was jedoch nicht für wiederverwendete Produkte gilt – zumindest noch nicht. Deshalb mussten wir sicherstellen, dass der Bauherr die Produkte nicht nach nur wenigen Jahren austauschen muss. Es gibt jedoch mehrere Hersteller, die mit Rücknahmeprogrammen begonnen haben, bei denen sie Waren zurücknehmen, überprüfen und anschließend eine Garantie anbieten“, erklärt Kasper Bach Johannsen.

Eine dritte Barriere, die Kasper Bach Johannsen aufzeigt, sind mögliche Inhaltsstoffe und Gasabscheidungen aus Materialien:

„Mit dem One-to-One-Recycling vertrauen wir darauf, dass diejenigen, die das Material entsorgen, es getestet und umweltgeprüft haben, beispielsweise auf Schwermetalle. Um sicher zu sein und dem Bauherren die Gewissheit zu geben, dass keine Gifte enthalten sind oder es keine Gasabscheidungen von Produkten gibt, führen wir selbst Stichproben durch.“

Das „Living Lab“ als Experimentarium

Auf drei Etagen des TRÆ – die den Namen Living Lab tragen – soll eine Bürogemeinschaft eingerichtet werden. Jede Etage hat ihr eigenes Thema: Eine Etage wird ausschließlich aus Recyclingmaterialien errichtet. Die zweite Etage besteht ausschließlich aus biobasierten Materialien wie Holz, und die dritte Etage wird eine Upcycling-Etage sein, in der recycelten Materialien neues Leben eingehaucht wird.

„Mit dem Living Lab haben wir die Möglichkeit bekommen, ein wenig zu spielen, da wir dort neue Materialien ausprobieren können, z. B. für Inventar, Trennwände und Ähnliches. Es gibt viele interessante Produkte auf dem Markt, aber leider konnten viele die Dokumentationsanforderungen, unter anderem für ein gesundes Innenraumklima, nicht erfüllen. Wir sind aber mit den von uns ausgewählten Materialien sehr zufrieden“, sagt Kasper Bach Johannsen und fügt noch hinzu:

„Auf der Recycling-Etage werden unter anderem wiederverwendete Troldtekt Akustikplatten montiert. Troldtekt bietet ein haltbares Material mit guter Dokumentation, und die wiederverwendeten Platten sind in einem LZA-Kontext gut geeignet.“

Die Troldtekt Akustikplatten wurden von Greendozer geliefert, einer Plattform, die Recycling-Baumaterialien verkauft.

Die Böden im selben Stockwerk stammen aus abgerissenen Wohnblöcken im Stadtteil Gellerupparken in Aarhus.

Henrik Kjærgaard-Phillipsen teilt mit, dass es einen Unterschied ausmacht, ob man auf 300 oder 15.000 Quadratmetern experimentiert.

„Jetzt testen wir ausgewählte neue Produkte und Methoden im „Living Lab“. Das erfordert, dass alle Beteiligten dem positiv gegenüberstehen und mutig sind. Wir haben bei dem Projekt mit TRÆ unglaublich viele Erfahrungen gesammelt. Die schlechten Erfahrungen können wir ein anderes Mal umgehen, während die guten in anderen Gebäuden und wahrscheinlich auch in größerem Maßstab berücksichtigt werden können.“

Wenn die Etagen in Betrieb genommen wurden, werden Messungen des Innenraumklimas durchgeführt und es werden auch Anthropologen herangeholt, um die Nutzung der Räume zu untersuchen.“

FAKTEN: Über TRÆ

  • TRÆ ist ein neues Bürogebäude im Viertel Sydhavn in Aarhus. Er wird voraussichtlich Ende 2024 fertiggestellt sein.
  • Das Gebäude wird 78 Meter hoch sein und 20 Stockwerke aufweisen sowie zwei niedrigere Gebäude mit jeweils sechs Stockwerken umfassen.
  • Bauherr des Projekts, das von Kilden & Hindby in Zusammenarbeit mit Lendager Arkitekter entwickelt wurde, ist PFA. Artelia ist als beratendes Ingenieurbüro involviert.