Zertifizierungen legen die Messlatte für nachhaltiges Bauen

Das dänische Architekturbüro Henning Larsen Architects arbeitet während des gesamten Entwurfsprozesses systematisch an Zertifizierungen, wenn ein Gebäude ein nachhaltiges Gütesiegel erhalten soll.

Lesen Sie unser Interview mit Martha Lewis, Architektin und Head of Materials bei Henning Larsen. Sie berichtet, welche Anforderungen in der Arbeit an Zertifizierungen erfüllt werden müssen – und welchen wichtigen Nutzen das Architekturbüro daraus zieht.

Bauzertifizierungen wie DGNB, LEED, BREEAM, Miljöbyggnad und WELL machen die Planung und Errichtung erstklassiger nachhaltiger Gebäude besser handhabbar. Deshalb ist eine Zertifizierung ein großes Plus für die späteren Gebäudenutzer, für die Umwelt und für die am Bau beteiligten Akteure. Das meint Martha Lewis, Architektin und Head of Materials bei Henning Larsen Architects:

„Viele Akteure in der Baubranche haben erkannt, dass wir nachhaltiger bauen müssen. Gebäudezertifizierungen liefern eine großartige Möglichkeit für konkretes Handeln. Sie ermöglichen CO2-Einsparungen, sorgen für mehr Transparenz, Rückverfolgbarkeit und die Reduzierung gesundheitsschädlicher Stoffe“, sagt Lewis.

„Als Architekten haben wir so die Chance, Gebäude oder Stadtteile zu erschaffen, die den späteren Nutzern einen optimalen Rahmen bieten, denn im Zuge einer Zertifizierung müssen wir eine ganze Reihe von Faktoren gründlich durchdenken. Das reicht von der Barrierefreiheit bis hin zu solchen Details wie Dichtstoffen, die keine Schadstoffe ausdünsten. Bei der Zertifizierung eines Gebäudes stehen zahlreiche nachhaltige Maßnahmen im Fokus, von groß bis klein.“

Positiver Hebel für Design und Funktion

Martha Lewis ist DGNB-Auditorin, WELL Accredited Professional (WELL AP) und LEED Green Associate. Deshalb liegen auf ihrem Arbeitstisch lauter Aufgaben, bei denen der Bauträger im Vorfeld entschieden hat, dass das Gebäude eine bestimmte Nachhaltigkeitszertifizierung erlangen soll – oft auf einem spezifischen Niveau.

„Bei solchen Aufgaben liegt die Messlatte von Anfang an höher als bei Gebäuden, die nicht zertifiziert werden sollen. Hier werden keine Lösungen vergessen, hinten angestellt oder weggespart. Sie müssen einfach umgesetzt werden. Das ist ein wirklich positiver Hebel für den gestalterischen Entwurf und die Funktionalität des Gebäudes, für die Materialwahl sowie für die Dokumentation und das Wissen über Gebäude und Bauprozess, was der Bauträger auch später im Gebäudebetrieb nutzen kann“, erklärt Martha Lewis.

Aufgrund des gründlicheren Planungsprozesses hält Lewis es für wichtig, einen realistischen Zeitrahmen zu setzen und einen vernünftigen Vertrag mit dem Bauherrn zu schließen. Die Aufgabe muss auch für das Architekturbüro wirtschaftlich nachhaltig sein.

„Wir müssen ein vernünftiges Honorar aushandeln, denn es steht außer Frage, dass der Planungsprozess zeitaufwändiger wird, wenn ein Gebäude zertifiziert werden soll. Für Recherchen, Materialauswahl und die Ausarbeitung wirtschaftlicher und ökologischer Lebenszyklusanalysen wird zusätzliche Zeit benötigt“, erklärt Lewis. „Wir müssen uns generell um wesentlich mehr Details kümmern als bei Gebäuden, die nicht zertifiziert werden sollen. Wir müssen mehr dokumentieren, mehr Fotos machen und mehr Berichte schreiben.“

Transparente Hersteller sparen den Architekten Zeit

Martha Lewis betont, dass es ein großes Plus für den Dokumentationsprozess ist, wenn Hersteller von Baustoffen gute Produktinformationen liefern, z. B. in Form von Umwelt-Produktdeklarationen (EPD) und einer Kennzeichnung der Inhaltsstoffe.

„Es erleichtert die Auswahl von Materialien, wenn Baustoffhersteller gezielt transparent arbeiten – auch indem sie darauf hinweisen, wenn es Empfehlungen gibt, die ihre Baustoffe noch nicht ganz erfüllen. Ein Schlüsselbegriff für nachhaltiges Bauen ist Transparenz. Sie erleichtert uns als Beratern das Leben, ist aber auch enorm wichtig für die Bauherren, die schließlich wissen sollen, woraus ihre Gebäude bestehen“, sagt Martha Lewis.

Als Beispiel zieht sie den Auftrag für einen Neubau für das Bürgeramt der Stadt Minneapolis in USA heran. Das neue Gebäude sollte eine LEED-Zertifizierung erhalten, und in diesem Zusammenhang arbeitete das dänische Team von Martha Lewis mit Architekten vor Ort zusammen, um die richtigen Baustoffe für das Gebäude zu finden.

„Wir mussten Materialien auswählen, die einerseits den architektonischen Ausdruck unterstützten und andererseits auch die Kriterien von LEED erfüllten. Und wir mussten für jede Wahl drei Produktalternativen anbieten, denn das Projekt musste die Regeln für die öffentliche Auftragsvergabe erfüllen“, berichtet Lewis. „LEED stellt hohe Anforderungen an Materialkenntnisse, Transparenz und Rückverfolgbarkeit. Deshalb bevorzugen wir natürlich Hersteller, die ihre Dokumentation leicht zugänglich zur Verfügung stellen. Sonst stehen Zeitaufwand und Honorar nicht im Verhältnis.“ 

Nachhaltigkeit breit verankert

Zum Schaffen von Martha Lewis gehört das Rathaus der Stadt Middelfart, das als erstes Gebäude in Dänemark eine DGNB-Zertifizierung in Platin erhalten hat und für seine architektonische Ästhetik und Funktionalität mit einem DGNB-Diamanten ausgezeichnet wurde. Bis zur Fertigstellung war, wie bei den meisten anderen Projekten, ein langwieriger Planungsprozess erforderlich, in dem Lewis das DGNB-System als Managementinstrument einsetzte. 

„Es ist wichtig, das Zertifizierungssystem, mit dem man arbeitet, sehr genau zu kennen. Ich muss wissen, wann im Prozess ich mich um welches Kriterium kümmern muss. Die Informationsmengen in diesem Bereich sind enorm. Das erfordert ein gutes Prozessmanagement und einen Überblick darüber, wann man bei Architekten, Designern, Bauingenieuren und Ausführenden Informationen abfragt. Ich sehe mich als Übersetzerin, die die Kriterien für den Rest des Teams verständlich machen muss“, erklärt Martha Lewis.

„Nichts desto trotz versuchen wir, die Verantwortung für die Nachhaltigkeit in sämtlichen Gliedern einer Projektorganisation zu verankern. Das Wissen sollte nicht nur bei einzelnen Personen liegen. Bei Henning Larsen Architects sind wir inzwischen eine recht große Gruppe aus Fahnenträgern, die mit den Zertifizierungen gut vertraut sind. Glücklicherweise stellen wir fest, dass nachhaltiges Bauen sich immer stärker verbreitet und sehr gefragt ist“, sagt Martha Lewis.

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Martha Lewis, Architektin und Head of Materials bei Henning Larsen Architects.