Baulicher Rahmen als Teil der Behandlung

Die Neue Psychiatrie Bispebjerg in Kopenhagen entsteht als einzigartiger, vielfach verbesserter Rahmen für die Behandlung von psychiatrischen Patienten.

Für den Neubau wurden die Erfahrungen mit dem Versuchsmodell eines Patientenzimmers in voller Größe ausgewertet, mit dem getestet wurde, welche Bedeutung Licht, Luft und Raumklang für die Behandlung der Seele haben.

Das Versuchszimmer – auch Patientenzimmer der Zukunft genannt – befindet sich heute an der Dänischen Technischen Universität (DTU), wo es zur Erforschung von gesundheitsfördernder Architektur dient, war jedoch früher auf das Dach der Tiefgarage des Krankenhauses Bispebjerg aufgebaut. Hier konnten Architekt Carlo Volf (Foto) und Kollegen eine völlig neue Einrichtung und eine Neuinterpretation eines modernen psychiatrischen Krankenzimmers ausprobieren – ein Zimmer, das zahlreiche Anregungen für die topmoderne Neue Psychiatrie Bispebjerg gegeben hat, die 2024 fertiggestellt wird:

„Die Grundlage für die Ausstattung des Patientenzimmers war unser Wissen über den Einfluss von Licht, Klängen und Temperaturen auf den Menschen. Licht ist nicht in jedem Fall zuträglich und kann beispielsweise dann ein Problem werden, wenn man nachts zu viel davon abbekommt. Gleiches gilt für Temperaturen und Geräusche, und Patienten mit psychischen Leiden sind besonders empfindlich gegenüber Unausgeglichenheit“, berichtet Carlo Volf.

Die Lösung besteht in einem Patientenzimmer, in dem eine Kombination aus Tageslicht und dynamischer, an den Tagesrhythmus angepasster LED-Beleuchtung herrscht.

„Wenn wir früh am Tag viel Licht bekommen, verschiebt sich unser Tagesrhythmus nach vorn und wir sind abends eher müde. Das haben zahlreiche Untersuchungen gezeigt. Psychiatriepatienten, die häufig an Einschlafstörungen leiden, können wir zu besseren Schlafgewohnheiten anregen, indem wir Zimmer bauen, die sie beim frühen Aufwachen unterstützen, damit sie früher müde werden“, erklärt Volf.

Er berichtet, dass in dem Versuchszimmer versucht wurde, den Tageslichteinfall je nach Himmelsrichtung zu optimieren – und überall dort mittels LED-Beleuchtung zu kompensieren, wo der natürliche Lichteinfall ungünstig ist.

Natürliche Lüftung im Patientenzimmer

Auch die Raumluft – und nicht zuletzt die Raumtemperatur – spielen eine bedeutende Rolle im Patientenzimmer der Zukunft.

„Früher wurde morgens und abends gelüftet. Das war und ist eine gute Idee. Nicht nur, weil man so gute, frische Luft hereinlässt, sondern auch, weil die Frischluft die Raumtemperatur absenkt, bevor wir uns schlafen legen. Zu hohe Temperaturen beeinträchtigen die Qualität des Schlafs“, sagt Carlo Volf.

Deshalb wurde im Versuchskrankenzimmer mit zusätzlicher Lüftung gearbeitet, sowohl mechanisch als auch natürlich. In einer psychiatrischen Klinik kann dies eine Herausforderung sein:

„Stationäre psychiatrische Einrichtungen werden in der Regel als gesicherte Gebäude errichtet. Dort ist es nicht möglich, die Fenster zu öffnen. Trotz dieser Einschränkung haben wir versucht, eine natürliche Lüftung zu schaffen, indem wir die Fassade mit so genannten ,norwegischen Fenstererkern‘ versehen haben, die so optimiert sind, dass die Luft versetzt einströmt“, erklärt Carlo Volf. Diese natürliche Lüftung birgt weitere Vorteile:

„Mit den Öffnungen ermöglichen wir den Patienten, Sinneseindrücke von draußen aufzunehmen. Sie können die Vögel singen hören, was den Patienten Zerstreuung und Ablenkung von der Isolation bietet, die sich in einem Zimmer in der Psychiatrie häufig einstellt.“

Vogelgesang ohne Lärm von der Autobahn

Geräusche und Raumakustik sind die dritte wichtige Komponente im Patientenzimmer der Zukunft:

„Einerseits möchten wir Lärm und Geräusche unterdrücken, weil sie den Zustand der Patienten verschlechtern können. Doch andererseits möchten wir ihnen gern ermöglichen, die Welt draußen wahrzunehmen. Mit anderen Worten: Sie sollen den Gesang der Vögel, aber nicht die Autobahn hören können“, sagt Carlo Volf und berichtet, dass die gute Raumakustik im Patientenzimmer den hellen Troldtekt-Decken zu verdanken ist. Die Wände des Versuchszimmers wurden mit akustisch wirksamen Eichenholzlamellen versehen, die eine natürliche Lüftung mit mehr Frischluft bewerkstelligen und im Sommer eine Aufheizung des Raumes verhindern.

„In Krankenhäusern finden wir traditionell viele harte, glatte Oberflächen. Deshalb setzen wir Troldtekt ein, um die Nachhallzeit in den Patientenzimmern zu verkürzen und einen weichen, kurzen Nachklang zu erzielen“, so Volf. Holz als Ausbaumaterial an Decken und Wänden birgt zudem den Vorteil, dass die Zimmer optisch sehr warm wirken.

Die Erfahrungen mit dem Versuchszimmer bilden nicht nur die Grundlage für den Ausbau der Patientenzimmer in der Neuen Psychiatrie Bispebjerg, sondern wurden in einem Bericht zusammengefasst, der Bauherren, Architekten und Planern zugänglich gemacht wird. Er wird voraussichtlich 2021 erscheinen.

„Alvar Aalto sagte, dass man als Architekt die Partei der Schwächsten ergreifen soll. Die Patienten in der Psychiatrie sind häufig schwach, und darauf sollte die Architektur eingehen. Wir werden dieses Gebiet noch weiter erforschen und dabei untersuchen, wie unsere bisherigen Erkenntnisse in der Wirklichkeit der Neuen Psychiatrie Bispebjerg funktionieren“, sagt Carlo Volf.

FAKTEN: Ny Bispebjerg Hospital und Ny Psykiatri Bispebjerg

  • Der Bau ist Teil eines Großprojekts, das bis 2025 läuft.
  • Allein die psychiatrische Klinik wird 22.500 Quadratmeter mit Notaufnahme und 200 Patientenzimmern umfassen.
  • Der Baubeginn erfolgte im September 2019, die psychiatrische Klinik soll laut Planung 2022 fertiggestellt werden.
  • Es folgt eine zweite Ausbaustufe, nach deren Abschluss die Neue Psychiatrie Bispebjerg 2024 fertiggestellt sein wird.