Architektur räumt mit Vorurteilen über psychische Krankheiten auf

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Immer mehr Menschen leiden unter einer psychischen Erkrankung oder haben mentale Probleme

Aber auch wenn so viele von psychischen Leiden betroffen sind, kann das Sprechen darüber immer noch mit Schuld und Scham verbunden sein.

An diesem Punkt kann die Architektur eine Entmystifizierung unterstützen, so sagt das schwedische Architekturbüro White Arkitekter.

Fotos: ©Felix Gerlach

„Lillhagen war die Irrenanstalt und da wollte wirklich keiner hin“, erzählt Jan Devyr Lernbring, der seit seinem 16. Lebensjahr mit psychischen Leiden zu kämpfen hatte – verschlimmert durch einen Drogen- und Alkoholmissbrauch.

Er erinnert sich deutlich, weshalb es so furchterregend war, in die inzwischen geschlossene psychiatrische Klinik in Göteborg eingewiesen zu werden:

„Zunächst ging es um die Lage von Lillhagen. Die Klinik lag ganz für sich, man musste also wirklich geisteskrank sein, um dorthin zu kommen. Und allein der Name Lillhagen war damals das Synonym für eine Irrenanstalt. Auch die Ansicht der Bevölkerung zu psychischen Leiden war damals ganz anders als heute“, erzählt er in einem Interview mit White Arkitekter, das Sie auf YouTube finden.

Die Rolle der Architektur in der modernen Therapie

Jan Devyr Lernbrings Erinnerungen an das ehemalige Lillhagen stehen im starken Kontrast zum heutigen Erlebnis, wenn man in der psychiatrischen Abteilung von Östra Hospital behandelt wird, die unter anderem von White Arkitekter gestaltet wurde. Hier geht man einen direkt entgegengesetzten Weg im Vergleich zu traditionellen Konventionen und hat eine offene und freie Umgebung mit Fokus auf Ruhe und Licht gestaltet. Gleichzeitig ist die psychiatrische Abteilung nicht mehr isoliert, sondern inzwischen natürlich in die übrige Klinik integriert.

„Einige Jahre lang hat man die traditionelle Art und Weise der Einrichtung psychiatrischer Abteilungen infrage gestellt. Früher waren diese Abteilungen meist von öffentlichen Orten abgeschottet – zweifelsohne in bester Absicht. Aber in Anbetracht der Darstellung psychiatrischer Abteilungen als sterile, trostlose und gefängnisartige Orte in Filmen und Fernsehserien hat dies zur Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Leiden beigetragen. Und diese Stigmatisierung ist praktisch ein Hindernis für die Behandlung, sagt Cristiana Caira, leitende Architektin bei White Arkitekter.

„Sowohl schwedische als auch internationale Forschungen zeigen, dass das Therapieumfeld von entscheidender Bedeutung für die Behandlung psychischer Leiden sein kann“, sagt sie. Die Forschung der Chalmers Tekniska Högskola verdeutlicht, dass die richtige Einrichtung die Anwendung von Zwang in psychiatrischen Abteilungen ebenso wie die Anzahl krankheitsbedingter Abwesenheitstage unter den Mitarbeitern reduzieren kann.

Sanfte Kanten und ein ruhiger Eindruck

White Arkitekters Erfahrungen wurden auch bei der Einrichtung des Södra Älvsborg Hospitals in Borås (Foto) genutzt, das 2020 eingeweiht wurde.

„Wir sind grundlegend davon ausgegangen, dass die Architektur das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit und Wohlbefinden erfüllen muss. Wie schaffen wir eine Umgebung, die für die Patienten die bestmögliche ist? Wir haben uns wirklich bemüht sicherzustellen, dass sowohl die Einrichtung als auch die Möbel unseren visuellen Wünschen entsprechen, während sie gleichzeitig auch den hohen Materialanforderungen hinsichtlich Hygiene und Sicherheit gerecht werden müssen“, berichtet Susanna von Eyben, leitende Innenarchitektin bei White Arkitekter.

Bei der Einrichtung wurde Wert auf sanfte und runde Formen (keine scharfen Kanten) gelegt, während im Hinblick auf die Farben eine Balance zwischen einem stimulierenden Sinneseindruck und der Vermittlung von Ruhe gesucht wurde.

Gute Akustik kann Stress und Angst vorbeugen

In der psychiatrischen Abteilung in Borås wurde ebenso großer Wert auf die Akustik gelegt, wo Troldtekt-Akustikplatten an den Decken verwendet wurden.

„Geräusche sind einer der Umweltfaktoren, die wir bei psychiatrischen Bauvorhaben besonders sorgfältig und korrekt zu planen versuchen. Die Erzeugung einer unterschwelligen und angenehmen Akustik in einem Raum kann Stress und Angst vorbeugen, die in einer lärmenden Umgebung sonst auftreten können“, erklärt Architekt Peter Johnstone von White Arkitekter.

„Auch die Materialauswahl ist von großer Bedeutung. Wir entscheiden uns gern für Holz, weil es ein Gefühl von Wärme und Natürlichkeit vermittelt. Die Materialien in Verbindung mit einer guten Akustik tragen positiv zur Heilung bei“, fährt er fort.

Mehr über die Arbeit von White Arkitekter mit heilender Architektur erfahren Sie in diesem Artikel (auf Englisch)