Architektur kann Kinder in Bewegung versetzen

Kinder im Schulalter verbringen bis zu 70 Prozent ihrer wachen Zeit im Sitzen. Das zeigt eine Studie mit über 4.000 Kindern aus Deutschland, Österreich und Luxemburg. Das ist ein Problem, denn derart langes Sitzen kann die Gesundheit beeinträchtigen. 

Schulen in mehreren Ländern nutzen architektonische Kniffe, um ihre Kinder dazu zu bringen, sich mehr zu bewegen.

Springen, tanzen, spielen, laufen – es gibt viele Formen körperlicher Betätigung. Doch Kinder in Deutschland bewegen sich in der Regel nicht genug. Eine Studie des Deutschen Verbands für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS) zeigt, dass Kinder und Jugendliche an einem normalen Wochentag durchschnittlich 10,5 Stunden sitzen – je höher die Klassenstufe, umso mehr Stunden. An den Wochenenden sitzen sie immer noch 7,5 Stunden pro Tag.

An der 2017 veröffentlichten Studie nahmen 4.385 Kinder aus Deutschland, Österreich und Luxemburg teil.

„Unser Alltag ist heutzutage stark von einem sitzenden Lebensstil geprägt. Dabei mehren sich die Hinweise, dass gerade das viele Sitzen ein hohes Risiko für die Entstehung von chronischen Krankheiten und insbesondere der Adipositas bedeutet“, sagte Professor Gerhard Huber vom Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des DVGS anlässlich der Vorstellung der Studie.

Die Schule als Rahmen für Aktivitäten

Die Architektur, die Ausstattung und der Unterricht an Schulen können einen positiven Einfluss darauf haben, wie viel sich die Kinder bewegen – und damit auch, wie viel sie lernen. Dies ist die Kernaussage des Artikels „Sport macht Schule“, der im vierten Quartal 2019 im SCHULBAU-Messemagazin erschien.

In dem Artikel wird die DVGS-Studie vorgestellt, und Martin Korte, Neurobiologe an der Technischen Universität Braunschweig und Experte für Lernen und Gedächtnis, erklärt, wie Bewegung dabei hilft, die Konzentration und den Arbeitsspeicher des Gehirns zu vergrößern.

„Bei Bewegung verbessert sich nicht nur in den Muskeln, sondern auch im Gehirn die Durchblutung“, sagt Korte unter anderem im Artikel.  

Eine der Regionen, in denen man das Thema Bewegung in Schulen schon seit langem systematisch bearbeitet, ist Baden-Württemberg. Zur Jahrtausendwende wurde dort eine große Offensive für Sport in den Schulen gestartet. Schulen können sich dort als „Grundschule mit sport- und bewegungserzieherischem Schwerpunkt“ (GSB) zertifizieren lassen, wenn sie eine Reihe von Kriterien für die Einbeziehung körperlicher Betätigung in den Schulalltag erfüllen. Anfang 2019 gab es fast 900 GSB-zertifizierte Schulen in Baden-Württemberg.

Mindestens 45 Minuten Bewegung pro Tag

Bei unseren Nachbarn in Dänemark ist man noch einen Schritt weiter gegangen. Im Zuge der Schulreform 2014 wurde beschlossen, dass die Schüler der Klassenstufen 0 bis 9 der dänischen Folkeskole durchschnittlich 45 Minuten Bewegung pro Schultag ausüben sollen. Architektur kann dazu motivieren, dieses Ziel zu erreichen, und viele Schulen werden heute so gestaltet, dass sie die körperliche Betätigung der Kinder und Jugendlichen fördern.

Das Projekt „Skole+“, das von mehreren dänischen Organisationen (den Stiftungen Realdania und Lokal og Anlægsfonden sowie dem Dänischen Sportverband) unterstützt wird, hat deutlich gemacht, wie Bewegung in den Schulen durch die Erneuerung der vorhandenen Architektur gefördert werden kann.

„Bei Skole+ wird Bewegung auf ganz neue Weise und an ganz neuen Orten integriert, als man es bisher kennt. Zum Beispiel werden in den Fluren Klettergeräte, Spiegel und Laufstrecken aufgebaut. Das lädt zu neuen Bewegungsformen ein, die auch ganz andere Typen von Schülern zur Teilnahme animieren“, sagt Gertrud Øllgaard.

Øllgaard ist Anthropologin und Fachgebietsleiterin bei dem Ingenieurunternehmen NIRAS, das das Programm Skole+ ausgewertet hat.

Eine der Schulen, die daran teilnehmen, ist die Søndervang-Schule in Aarhus. Sie liegt in einem sozial belasteten Stadtviertel und war etwas heruntergekommen. Mittlerweile hat sich die Schule in einen Ort verwandelt, an dem Aktivität und Bewegung im Mittelpunkt stehen – unter anderem mit einem 1,2 Kilometer langen „Bewegungspfad“, der durch die Flure der Schule führt.

Die Søndervang-Schule stand 2019 auf dem Besuchsprogramm einer Studienreise für deutsche Architekten nach Aarhus, die von der SCHULBAU-Messe mit Troldtekt als Partner veranstaltet wurde.

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