Nørre Vosborg

Moderner Hoteltrakt und Konvertierung einer Wirtschaftshofanlage für Kulturzwecke.

Troldtekt, Nørre Vosborg
Photo: Thomas Mølvig, architect

Die vornehme Restaurierung des Herrensitzes Nørre Vosborg in Westjütland hat sich bereits herumgesprochen. Es war eines der größten Restaurierungsprojekte in Dänemark, das in den letzten vier Jahren Hunderte lokaler Handwerker und Experten aus ganz Dänemark beschäftigt hat. Im Folgenden werden wir uns auf den neu erbauten Hoteltrakt und die Umwandlung der Wirtschaftshofanlage u. a. in einen Mehrzwecksaal und Ausstellungsraum konzentrieren.

Nørre Vosborg ist eine der wenigen und am besten erhaltenen Anlagen in der Fjordlandschaft Westjütlands, deren Geschichte bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Die Immobiliengesellschaft Realea A/S, die den Herrensitz 2004 übernahm, bezeichnet ihn als ein einzigartiges Bauwerk in der Geschichte Dänemarks, ein Ort mit einem umfassenden und unersetzlichen baukulturellen Erbe. Dennoch ist es gelungen, einen schwarz gestrichenen Hoteltrakt von 118 Metern Länge zu integrieren und zeitgemäße Einrichtungen für Tagungen, Ausstellungen und Konzerte zu schaffen – wohlgemerkt ohne die Authentizität des Ortes zu schwächen. Arkitema KS hat den Veränderungen mit großem Talent Form gegeben und OBH Rådgivende Ingeniører A/S hat die Ingenieurarbeiten mit entsprechendem Engagement und Begeisterung angepackt. Die Handwerksarbeiten wurden als Fachleistungen ausgeführt.

Visionäre Restaurierung

Man trifft von Osten kommend durch das Torgebäude und die Wirtschaftshofanlage in Nørre Vosborg ein. Die Wirtschaftsgebäude bilden mit ihrer symmetrischen, achsfesten und sehr voluminösen Anlage einen imponierenden Auftakt zur Burg. Die beiden großen Durchfahrtscheunen im Süden und Norden beherrschen und bestimmen die Erhabenheit der Anlage. Die enormen Reetdächer und das stoffliche Mauerwerk mit seinem erzählerischen Wert lassen den Besucher auf dem ausgedehnten offenen Hof den Flügelschlag der Geschichte vernehmen.

Projektleiter und Architekt Frants Frandsen – Realea A/S – berichtet über das Projekt: „Die Umwandlung der Herrensitzanlage von ihrem ursprünglichen Zweck als Wirtschaftshof und Herrensitz in ein regionales, kulturelles Kraftcenter war eine extrem sensible und komplizierte Aufgabe. A und O für eine gelungene Restaurierung war die Fähigkeit, die tragenden historischen und kulturhistorischen Schichten zu erkennen und zu interpretieren, sowie eine realistische Zukunftsvision. Gleichzeitig wurde mit Erfolg eine nachhaltige künftige Nutzung im Rahmen der baulichen historischen, funktionellen und ästhetischen Rahmen und Prämissen des Ortes erreicht. Geist und Seele müssen sozusagen in größtmöglichem Umfang folgen und in den neuen Rahmen weiterleben können.“

Die Wirtschaftshofanlage

„Die symmetrisch angeordneten und 1787 erbauten Wirtschaftsgebäude sind im Grunde Klimaschirm und äußerer Ausdruck und wurden im Wesentlichen nach dem gleichen Prinzip, mit Hilfe der korrekten Materialien und unter Anwendung der korrekten historischen Bautechnik in den historischen Konstruktionen restauriert. Im Gegensatz zur Burg haben alle diese Gebäude eine neue Funktion erhalten, weit entfernt von ihrer ursprünglichen Nutzung als Stallungen und Scheunen. Die Neueinrichtung der Wirtschaftshofanlage erfolgte hauptsächlich nach dem Prinzip der Reversibilität; d. h. die neue Einrichtung kann im Prinzip rückgängig gemacht werden, so dass das historische Bauwerk mit all seinen restaurierten und intakten Konstruktionen zurückbleibt.“

„Auch nach der Instandsetzung präsentiert sich die Rohkonstruktion der Südscheune intakt mit ihren sichtbaren Sparren und rohen Außenwänden; als ein durchgängiges Thema für die rückweisende und rustikale Erscheinung des Raumes. Wie in der Südscheune wurde der charakteristische, in Längsrichtung durch den Raum verlaufende Fahrweg der Durchfahrtscheune als ein zeittypischer funktionaler und architektonischer Zug beibehalten. Die Böden bestehen hier aus Glattbeton, der Aufenthaltsboden zwischen diesen „Fahrwegen“ sowie die Leistendeckung der Bühnenfassade sind aus Eiche. Die Rohheit im Ausdruck des Mehrzwecksaals wurde bei der Verkleidung der Schrägdecken mit Troldtekt HWL-Platten weitergeführt, die gleichzeitig dafür sorgen, dass die akustischen Anforderungen in diesem Raum erfüllt werden.“

Der Hoteltrakt

Thomas Carstens – Architekt und Arkitema-Geschäftsführer – hat die haarscharfe architektonische Gratwanderung zwischen Neu und Alt gestaltet. Eine Herausforderung in jeder Hinsicht, aber eine Aufgabe, die mit großem Einfühlungsvermögen und geistiger Energie gelöst wurde und ihren physischen Ausdruck in Baukunst von höchstem Niveau gefunden hat. Das Projekt mit dem neu eröffneten Hoteltrakt wurde zur Teilnahme am Architecture Festival in Barcelona ausgewählt, wo Arkitema gegen neun andere internationale Architekturbüros in der Kategorie „Holiday“ antritt.

Thomas Carstens berichtet: „Der neue Hoteltrakt ist eine entscheidende Voraussetzung beim Bemühen um die Erhaltung des Herrensitzes. Es geht darum, einen nachhaltigen Betrieb zu sichern, wenn der ursprüngliche Zweck erfüllt ist. Es mag sich paradox anhören, dass man Neues bauen muss, um Altes zu erhalten; es ist aber ein Paradox, auf das wir eine architektonische Antwort gegeben haben.“

„Die Lösung ist ein selbstständiges Gebäude, das parallel zu und nördlich der beiden dominierenden Nord- und Südflügel der existierenden Anlage liegt. Mit seinen 118 Metern passt der Neubau vom Volumen her zu den größten Gebäuden der existierenden Anlage. Trotz seiner Größe und Platzierung aber konkurriert er nicht mit dem historischen Hofraum und der Hauptachse der Anlage. Die Nordscheune aus dem 18. Jahrhundert, deren Verhältnis zwischen Ziegelwand und Reetdach im Aufriss 01:03 ist, war das Ideal für die Proportionierung.“

Pragmatischer Charakter

„Um die Rolle des Hoteltraktes zu unterspielen, das schlichte, prunklose Äußere der Scheune aber weiterzuführen, haben wir uns für Holz als Hauptmaterial entschieden. Sibirische Lärche in Spiegelschnitt, in Klinkerbauweise, lässt bei der Dachfläche deutlich eine alte nordische Tradition anklingen. Durch eine Öffnung in der Verklinkerung entsteht ein Band in der Dachfläche, das Licht und Freiraum für die Zimmer im ersten Stock schafft. Im Untergeschoss bilden senkrechte Versatzstücke einen visuell nuancierten Übergang zwischen innen und außen.“

Sowohl im Mehrzwecksaal als auch im Ausstellungssaal und in den Hotelzimmern wurden jede Menge geradkantige helle Troldtekt-Platten verwendet. Über die ausgedehnte Verwendung von Holzwolle-Leichtbauplatten sagt Thomas Carstens: „Ursache hierfür war vor allem der Wunsch nach einer materialmäßigen Homogenität in den verschiedenartigen Gebäuden. Zudem hat das Material gute akustische Eigenschaften und es gehörte mit zu unserer Aufgabe, einen Mehrzwecksaal u. a. für Konzerte und Vorträge einzurichten. Holzwolle-Leichtbauplatten besitzen darüber hinaus gute feuchtigkeitsregulierende Eigenschaften – das bedeutet ein gutes Innenraumklima und letztendlich einen geringeren Lüftungsbedarf in den Gebäuden. Da es sich um die ursprünglichen Wirtschaftsgebäude von Nørre Vosborg handelt, hat auch der pragmatische Charakter des Materials eine große Rolle bei der Wahl gespielt. Ich persönlich finde, dass die Troldtekt-Platten schön mit dem Charakter alter Scheunen- und Stallbauten harmonieren.“

Japanisch auf Westjütländisch

1859 machte Hans Christian Andersen 14 Tage Sommerurlaub auf Nørre Vosborg, jetzt haben auch wir anderen die Möglichkeit dazu. Das Hotel verfügt über insgesamt 56 Doppelzimmer, 37 davon in dem neuen Trakt. Die Hotelzimmer des Gebäudes sind hypermodern eingerichtet, möbliert in italienischem Design und kombiniert mit dänischer Möbelkunst.

Hoteldirektor Svend Erik Jørgensen sagt: „Unmittelbar kann der neue Hoteltrakt so ganz in schwarz dominierend und fast bedrohlich wirken. Doch dieser Eindruck nimmt ab, sobald man sich dem Gebäude nähert, und ist vollständig verschwunden, wenn man in die schönen hellen Zimmer kommt. Ich finde die gewählte Lösung, den Hoteltrakt wie eine Scheune ganz aus Holz zu bauen, perfekt. Das Gebäude wird hierdurch zu einem natürlichen Teil der Gesamtheit und fügt dem aus Stein erbauten Herrensitz gleichzeitig ein neues Element aus Holz hinzu.“

„Die unmittelbare Reaktion der Gäste betrifft vor allem die Zimmer. Man freut sich sehr über die hellen Zimmer und den schlichten Look. Viele haben die Einrichtung u. a. als „japanisch auf westjütländisch“ charakterisiert. Damit ist gemeint: Hier ist das, was hier sein muss, und zwar auf eine natürliche Art und Weise, die das Licht und die Erhabenheit der umgebenden Natur achtet. Das Inventar füllt den Raum und seine Funktion aus. Geschickt hat man es vermieden, den Raum so mit Einrichtungsgegenständen zu füllen, dass dem Gast kein Platz mehr bleibt.“

Viel Raum

„Die Scheunen eignen sich bestens für Feste und Tagungen. Wir bekommen immer ein positives Feedback, was die Nutzung der Durchfahrtscheune als Tagungsraum betrifft. Hier ist Luft und in mehr als einer Beziehung viel Raum. Brauchen die Gäste den großen Überblick, können sie von den Absätzen aus einen Blick auf das Ganze werfen. So wie in alter Zeit, als man auf die vorzeitlichen Grabhügel stieg, um alles von einer höheren Warte aus überblicken zu können.“

„Und schließlich ist der Mehrzwecksaal wahrlich ein Raum, den zu vermieten wir stolz sind. Im selben Moment, in dem die Gäste ihn betreten, hören wir ein „Wowwww.....“ angesichts der Größe, die überwältigend wirkt. Bühne und erstklassige AV-Ausrüstung machen den Raum zu einem Traum für jeden Tagungsveranstalter und Teilnehmer. Die Akustik des Raumes ist eine Klasse für sich, ob darin ein Fest oder eine Tagung mit wenigen oder vielen Teilnehmern stattfindet“, so Svend Erik Jørgensen abschließend.

Großes Potenzial

Die Geschäftsführerin von Nørre Vosborg, Helle Skaarup, ist begeistert vom Potenzial des Ortes für Kulturveranstaltungen. „Die alte Nordscheune aus dem Jahr 1788 gibt einen perfekten Rahmen ab für Janne Klerks schöne Fotoausstellung über Nørre Vosborg anno 2003 – vor Beginn der Restaurierung. In der alten Scheune herrscht eine ganz besondere Atmosphäre, die sich schwer erklären lässt – man muss sie erleben – und die die stimmungsvollen Fotografien aufs Schönste zur Geltung kommen lässt. Die Gäste werden auf wundersame Weise in eine andere Zeit versetzt.“

„Auch der Mehrzwecksaal in der alten Südscheune hat sich als perfekter Rahmen für verschiedene Kulturaktivitäten erwiesen. Die Nachhallzeit des Saals eignet sich für Sprechtheater, daher bestand eine gewisse Spannung vor den einzelnen Veranstaltungen. Doch glücklicherweise hat sich gezeigt, dass sich der Saal auch für die anderen Kunstarten eignet. Wir haben ein Potpourri aus verschiedenen Kunstarten zusammengestellt, um zu sehen, wofür sich der Saal eignet. Gespielt wurden Jazz und klassische Musik, Filme wurden gezeigt, Theater- und Choraufführungen haben stattgefunden, ebenso wie Breakdance und Ballett.“