Michael Baungart: Gebäude sollen unser Leben besser machen

Nachhaltigkeit ist allzu oft eine Frage von Schuldgefühlen und Vermeidung von direkten Umweltfolgen, sagt Prof. Dr. Michael Braungart, einer der Entwickler des Cradle to Cradle-Designkonzepts.

Wir sollten jedoch Gebäude bauen, die das Leben fördern und verbessern und eine positive Gesamtbilanz hinterlassen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen unsere Gebäude flexibler werden und wie Dienstleistungen konzipiert sein.

Auf der ganzen Welt formulieren Städte, Unternehmen und Länder stolze Ziele in Bezug auf Nachhaltigkeit und Kohlenstoffneutralität. Doch nach Auffassung eines der weltweit führenden Umweltvordenker, Prof. Dr. Michael Braungart, sollte die Vermeidung von CO2-Emissionen kein Selbstzweck sein. Stattdessen muss das Ziel verfolgt werden, einen positiven Einfluss auszuüben.    

 „Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, dann meist aus einem moralischen Ansatz heraus, bei dem Nachhaltigkeit als Mittel gegen Schuldgefühle eingesetzt wird. Die Menschen glauben, sie schützen ihre Umwelt, indem sie sich weniger schlecht verhalten“, sagt Braungart. „Nachhaltigkeit bedeutet, die Bedürfnisse der heutigen Generation zu erfüllen, ohne dabei die Bedürfnisse künftiger Generationen einzuschränken. Doch niemand sagt: ,Ich will das Leben meiner Kinder nicht einschränken.‘ Nein, die Menschen wünschen sich natürlich ein besseres Leben für Ihre Kinder.“

 

Eine Stadt wie ein Wald

Michael Braungart demonstrierte diesen Gedanken, als er und seine Kollegen von der Environmental Protection Encouragement Agency (EPEA) eingeladen wurden, auf der 15. Biennale in Venedig 2016 auszustellen. Unter dem Titel „A Building Like a Tree, A City Like a Forest“ (Ein Gebäude wie ein Baum, eine Stadt wie ein Wald) präsentierten Michael Braungart und sein Team ihre Vision davon, wie Gebäude so verwandelt werden können, dass sie Luft und Wasser reinigen und Artenvielfalt und Ökosysteme unterstützen.

„Haben Sie schon einmal einen emissionsfreien Baum gesehen? Bäume sind nicht neutral, sie haben sogar einen positiven Einfluss. Die Gebäude von heute erzeugen zwei Drittel des gesamten Abfalls. Ein Drittel der Verunreinigungen in der Muttermilch sind Chemikalien aus dem Bau, wie zum Beispiel Flammschutzmittel. Wir müssen also Gebäude konstruieren, die nicht giftig sind, sondern der Erhaltung des Lebens dienen und eine Artenvielfalt beherbergen können, genau wie Bäume“, erklärt Michal Braungart.

„Das geht sogar über Nachhaltigkeit hinaus und ist auch relevant, wenn wir über Schönheit, Qualität und Innovation sprechen. Ein Gebäude, das mich unglücklich und krank macht, ist nicht schön oder von guter Qualität.“

 

Gebäude als Dienstleistung

Um dies zu erreichen, müssen wir besser darin werden, natürliche Materialien im richtigen Kontext zu verwenden und für alle Materialien eine Nutzungsdauer festzulegen, damit unsere Gebäude zu Materialbanken werden.

„Gebäude müssen viel flexibler sein und als eine Art Service oder Dienstleistung gestaltet werden. Es geht nicht darum, eine Tür oder ein Fenster zu besitzen – es geht darum, sie zu nutzen. Bauteile und Komponenten müssen wir deshalb so gestalten, dass sie den benötigten Service erbringen und hinterher wieder zerlegt werden können, um die Bestandteile wiederzuverwenden. Und wir müssen mit gesunden, natürlichen Materialien arbeiten, ansonsten schaffen wir später ein Abfallproblem“, sagt Michael Braungart.  

Über Prof. Dr. Michael Braungart

  • Professor Dr. Michael Braungart (geb. 1958) ist Gründer und wissenschaftlicher Leiter der EPEA Internationale Umweltforschung GmbH, einem international anerkannten Umweltforschungs- und Beratungsinstitut mit Sitz in Hamburg.
  • Nach dem Studium der Chemie und Verfahrenstechnik widmete Braungart seine Arbeit in den 1980er-Jahren Greenpeace und half dabei, den Fachbereich Chemie von Greenpeace International einzurichten, den er 1985 übernahm.
  • Gemeinsam mit Co-Autor William McDonough hat Michael Braungart folgende Bücher veröffentlicht: Cradle to Cradle. Einfach intelligent produzieren (2002), Die nächste Industrielle Revolution: Die Cradle to Cradle-Community (2008) und Intelligente Verschwendung: The Upcycle (2013).