Deshalb steigt der Bedarf an Wohnraum für ältere Menschen

In den kommenden Jahren wird es deutlich mehr ältere Menschen in Dänemark geben – und sie werden länger leben. Doch der Wohnungsmarkt ist schlecht gerüstet, um die Bedürfnisse älterer Menschen zu befriedigen. Steigen Sie ein in das Thema und lesen Sie das Interview mit einem Experten von Dänemarks größter Immobilienagentur, der seine Sicht auf die größten Herausforderungen gibt. 

Die Stadt Odense hat etwa 205.000 Einwohner. Damit ist diese Kommune ein geeignetes Beispiel um zu veranschaulichen, wie sich die Zahl der älteren Menschen in Dänemark in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird. Denn in nur zehn Jahren wird es im Land rund 200.000 Menschen über 65 Jahre mehr geben als heute – also eine ganze Stadt Odense voller Senioren. Weitere zehn Jahre später wird es erneut etwa 150.000 Däninnen und Dänen über 65 Jahre mehr geben, die Gesamtzahl der Senioren wird dann rund 1,5 Millionen betragen – bei einer Bevölkerung von knapp sechs Millionen.

Dies ist nur eine der Prognosen im Market Insights-Bericht der Immobilienagentur EDC Erhverv Poul Erik Bech. Deren Forschungsleiter Joseph Alberti weist darauf hin, dass diese Entwicklung Druck auf den dänischen Wohnungsbestand ausüben wird:

„Obwohl wir zahlreiche kleine und große Seniorenwohnprojekte im Land sehen, scheint die Nachfrage schier unersättlich zu sein“, sagt er.

Mit Seniorenwohnung ist in diesem Zusammenhang eine relativ neue Wohnform gemeint, die auf dem Wohnungsmarkt eine Lücke schließen soll, die zwischen Eigenheim und Pflegeheim besteht.

Wenn Garten, viele Zimmer und Instandhaltung zur Last werden

Mehr Senioren sind an sich keine Herausforderung für den Wohnungsmarkt. In dem Bericht „Ældres boligsituation og fremtidige boligønsker“ (Wohnsituation älterer Menschen und zukünftige Wohnwünsche) aus dem Jahr 2019 weist das Nationale Forschungs- und Analysezentrum für Wohlfahrt VIVE darauf hin, dass die Mehrheit der Befragten über 52 Jahre es vorzieht, in ihrem derzeitigen Zuhause zu bleiben. Derselbe Bericht zeigt aber auch, dass sich diese Haltung langsam verändert und dass die neuen Generationen älterer Menschen zunehmend erwägen, noch einmal umzuziehen.

Diese Tendenz sieht auch Joseph Alberti von EDC Erhverv Poul Erik Bech.

„Das wachsende Interesse an Seniorenwohnungen ist im Wesentlichen auf die Tatsache zurückzuführen, dass viele Senioren erwägen, aus den Häusern und Wohnungen auszuziehen, die einst den Rahmen für das Familienleben und die Kinder bildeten. Sie wünschen sich weniger Verpflichtungen und weniger Arbeit im Garten und bei der Instandhaltung. Manche wollen weniger Wohnfläche, weil die Kinder das Haus verlassen haben“, sagt Alberti.

Dieser Punkt wird durch den VIVE-Bericht gestützt, in dem die Hälfte der Befragten, die einen Umzug in Betracht ziehen, den Wunsch nach einer kleineren Wohnung als Motiv nannten. Es folgen „Gartenarbeit loswerden“ (22 Prozent), „näher am Zentrum wohnen" (12 Prozent) und „billiger leben“ (11 Prozent).

Wohlhabende Senioren mit Handlungsspielraum

Ältere Menschen, die über Wohneigentum verfügen, haben in der Regel gute Möglichkeiten, ihre Wünsche nach einem neuen Zuhause zu verwirklichen.

„Ein großer Teil der heutigen und vor allem der zukünftigen Senioren verfügt über Geld. Einerseits ist das Rentensystem in Dänemark recht gut entwickelt, andererseits konnten viele im Laufe der Jahre große Wertsteigerungen bei ihrem Wohneigentum verzeichnen – nicht zuletzt im Großraum Kopenhagen, im angrenzenden Nord-Seeland, im Raum Aarhus und am Rand der größeren Städte. Einige möchten den Wert ihrer Immobilien umsetzen und zum Beispiel mehr reisen. Deshalb suchen sie nach einer anderen Art von Wohnraum – etwa einer Mietwohnung, einer Genossenschaft oder ähnlichem“, sagt Joseph Alberti.

Allerdings haben nicht alle älteren Menschen die gleichen Chancen auf die Nutzung von Immobilienkapital für einen Umzug. Der Handlungsspielraum ist in den ländlichen Gebieten Dänemarks bei weitem nicht so groß. Das gilt laut VIVE-Bericht auch für die kleinere Gruppe der Senioren, die ohnehin zur Miete wohnt. Diese Gruppe älterer Menschen, die eine ebenso hohe Lebenserwartung hat, hat hohe Wohnkosten und keine Aussicht darauf, dass diese im Laufe der Jahre abnehmen werden.

Gemeinschaft und Freiheit sind attraktiv

Die Wohnungswünsche variieren auch zwischen den verschiedenen Altersgruppen der Senioren. Von den 52- bis 62-Jährigen gibt jede dritte Person im VIVE-Bericht an, dass sie gerne in einer Wohnung leben würde, die Teil einer Wohngenossenschaft für Senioren mit Gemeinschaftseinrichtungen ist. Dieser Anteil ist doppelt so hoch wie bei den 82- bis 97-Jährigen.

„Solche Gemeinschaften im Seniorenwohnungsbau können dazu beitragen, die Lebensqualität zu verbessern, indem sie zum Beispiel die Sicherheit erhöhen und die Einsamkeit verhindern, von der ältere Menschen, nicht zuletzt Alleinstehende, sonst häufig betroffen sind“, meint Joseph Alberti von EDC.

Er verweist auf eine Studie von Realdania, die zeigt, dass 91 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner in Seniorenwohnprojekten eine verbesserte Lebensqualität und zu 75 Prozent bessere soziale Beziehungen erleben.

Die Analyse zeigt auch, dass ältere Menschen in Seniorenwohnprojekten nur ein Siebtel der durchschnittlichen öffentlichen Ausgaben für praktische Hilfe auf sich ziehen.

„Dies kann als Folge davon interpretiert werden, dass ältere Menschen sich gegenseitig bei der täglichen Arbeit helfen können und weniger öffentliche Pflegeleistungen benötigen“, sagt Alberti, der betont, dass die Nachfrage nach Seniorenwohnprojekten das Angebot bei weitem übersteigt.

„Im Jahr 2016 schätzte VIVE, dass 80.000 ältere Menschen daran interessiert waren, in ein Seniorenwohnprojekt zu ziehen, doch bis heute gibt es nur etwa 7.000 bis 8.000 Plätze“, so Alberti.

Mangel an allen Wohnungstypen

Doch nicht nur Seniorenwohnprojekte werden in den kommenden Jahren Mangelware sein. Es wird auch einen Bedarf an sogenanntem seniorengerechtem Wohnen geben, bei dem es sich um normale Wohnungen handelt, die altersgerecht gestaltet sind. Dazu zählen barrierefreie Wohnungen mit breiten Türen und Böden ohne Türschwellen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität.

Darüber hinaus florieren immer mehr Projekte für betreutes Wohnen, die gemeinsame Aktivitäten sowie eine Reihe von optionalen Dienstleistungen wie Pflege, Reinigung, Wäscherei und dergleichen bieten.

Schließlich werden in den kommenden Jahren auch immer mehr Einrichtungen entstehen, die verschiedene Pflegeleistungen anbieten und von privaten Akteuren betrieben werden. Laut EDC Erhverv Poul Erik Bech ist dieses Modell in Schweden weit verbreitet, während die komplexen Vorschriften in Dänemark solche gewerblichen Projekte derzeit häufig verhindern. Der Bedarf jedoch sei sehr hoch, weiß Joseph Alberti:

„Eine neue Untersuchung des dänischen Bauverbands weist darauf hin, dass in den nächsten zehn Jahren 26.000 zusätzliche Wohneinheiten in Pflegeheimen benötigt werden. Die Zahl der Däninnen und Dänen im Alter von 80 Jahren und mehr wird bis 2030 um 160.000 Personen steigen, und dann könnte es für den öffentlichen Sektor schwierig werden, die Aufgabe der Bereitstellung von Wohnraum zu bewältigen.“

Mehr über die Zukunft des Seniorenwohnens erfahren Sie in diesem Artikel.

 

Lesen Sie den Bericht Market Insight von EDC Erhverv Poul Erik Bech über Seniorenwohnungen